Sparen in der Krise

Vom betriebswirtschaftlichen Unsinn des Selbermachens

24. November 2020

In der Vergangenheit habe ich einen Teil meines Geldes damit verdient, dass ich bestimmte Inhalte (gelieferte Texte und Bilder) für meine Kunden in eine vorher abgestimmte Form gebracht habe, die anschließend entweder gedruckt oder als PDF-Datei zum Mail-Versand bereit gestellt wurden. Früher kümmerte sich um solche Aufgaben ein routinierter Setzer – heute (wo es keine Setzer mehr gibt) ein Grafiker oder Mediengestalter. Bei mir hat sich immerhin die schnelle Satzroutine – schließlich habe ich meine Berufsausbildung zum Schriftsetzer mit »Auszeichnung« abgeschlossen – und der günstigere »Satzpreis« erhalten.

Ein sechsseitiges Faltblatt in DIN lang, welches in etwa so aussieht, wie sein Vorgänger und daher die Übernahme der vorhandenen Vorlage erlaubt, ist inklusive zwei Korrekturrunden und Aufwand für die Druckbetreung in maximal zwei Stunden fertig und für 130 Euro zu haben. Dafür bekommt der Kunde ein »formvollendetes« und drucktaugliches Produkt. Bei guter Vorbereitung gehts sogar noch schneller und entsprechend »billiger«! 

Wer das immernoch teuer findet, mag daran erinnert werden, dass von diesem Geld, die Mehrwertsteuer abgeht und ich meine arbeitstechnischen Voraussetzungen (Technik, Software, Raummiete, Betriebskosten, Qualifizierung) und sämtliche Sozialbeiträge (Kranken- und Pflegekasse, Rente) selbst bezahle. Anders als Angestellte und Großkonzerne trage ich sogar mein »Betriebsrisiko« selbst und verursache – sollte ich aus irgendwelchen Gründen (Krankheit, Lock-Down, Kriese …) einmal nicht liefern können – weder dem Kunden noch der Gemeinschaft irgendwelche Kosten. 55 Euro netto die Stunde, ist für ein solches Rundum-Sorglos-Paket« ein richtig guter Satz-Preis!

Soll der Flyer gedruckt werden stehen diverse Onlinedrucker zur Verfügung, die den Preis niedrig halten. 1000 Stück kosten – farbig auf Bilderdruckpapier 135 g, gefaltet und overnight geliefert (sofern die Druckdaten bis 12:00 Uhr des Vortagen vorlagen) rund 85 Euro – inkl. Paketzustellung am nächsten Werktag wohlgemerkt! Alles in allem also gut 200 Euro für 1000 Faltblätter in guter Offsetqualität.

In Krisenzeiten, in denen selbstverständlich auch das Geld der Kunden zusammengehalten werden muss, und alle Kosten auf den Prüfstand kommen, könnte man versucht sein, auch hier zu sparen. 

Zwei Lösungen sind denkbar:
1. Den Infoflyer ganz weglassen
Das ist ohne Frage die konsequenteste bzw. radikalste und bei weitem klimaschonendste Lösung. Null Aufwand, null Kosten, null Emision. Der Kunde spart vielleicht sogar die Zeit, die er für die Erstellung der Inhalte (Texte verfassen, Bilder machen) benötigt – in jedem Fall aber jene, die er für die Abstimmung mit Grafiker und Drucker aufwenden müsste!

Um Missverständnissen vorzubeugen! Ich meine dies NICHT ironisch!
Ich bin davon überzeugt, dass der überwiegende Teil der heute produzierten Infozettel verzichtbar ist, weil sie entweder ihren Empfänger oder ihr Kommunikationsziel nicht erreichen. Oft gibt es bessere (= effizientere, zielgenauere) Möglichkeiten einer Zielgruppe mitzuteilen, was wir zu sagen haben. Ich plädiere daher immer, zu überlegen, ob der Flyer wirklich nötig ist oder ob es andere Kommunikationsformen gibt, die das Anliegen überzeugender, schneller und auch preiswerter transportieren können. Eine WhatsUp-Nachricht oder ein Twitter-Feed an seine Follower, dass der jeweilige Beitrag kurz und nur wenn nötig mit Hintergrundinormationen unter folgendem Link zur Website zu finden ist, kostet nix und muss auch nicht von externen Grafikern in Form gebracht werden. Mehr noch dass knappe »Angebot« einer Information kehrt – verglichen mit der ungefragte Zustellung eines 0-8-15-Flyers die Bringeschuld in eine Hohlepflicht um, was die Akzeptanz und Rezeption der Information mindestens verdoppelt!

Die zweite Lösung:
2. Den Infoflyer selber machen

Auch hiermit habe ich kein Problem, sofern der Kunde über die technische Ausstattung, das nötige Know-how und natürlich die Nutzungsrechte für die Nutzung der jeweiligen Vorlage verfügt. Tatsächlich bin ich vermutlich einer der wenigen Grafiker im Land, die großzügig, ohne Diskussion und ohne Folgekosten ihre »offenen« Layout-Daten dem Kunden zur Verfügung stellen. Allerdings habe ich auch keine Kunden, die über meine InDesign-Version, ausreichend satz- und drucktechnische Routine und die Zeit sich mit Flyer-Layouts zu beschäftigen, verfügen. Logisch – dann wären es ja nicht meine Kunden ;-)

Will sagen: Wenn der Auftraggeber »trotzdem« versucht, seinen Flyer mit nicht optimalen Hausmitteln selber zu machen, kann er nur verlieren: mindestens Zeit, meistens Geld, oft Qualität und Wiedererkennbarkeit (anderes »billiges« Outfit vs. bisheriger Flyer«), in aller Regel Mitarbeiter-Motivation und im schlimmsten Fall seine Zielgruppe. 

Folgende Gegenüberstellung mag das verdeutlichen:

Für eine »Inhouse-Produktion« von 1.000 Standard-Faltblättern (A4, zweimal gefaltet) am heimischen Farbdrucker* benötigt ein fachfremder Mitarbeiter (z.B. Sachbearbeiter, Referent …) rund 3,5 Arbeitstage. Nämlich: einen Tag für die Entwicklung (Idee, Textentwurf, Bildrecherche, Jobadministration), zwei weitere Tage für Entwurf und Umsetzung einschließlich Abstimmung mit dem Chef und Korrekturen) und einen halben Tag für den eigentlichen Druck und das Falten der Flyer. Er verursacht in dieser Zeit Druckkosten von rund 150 Euro, über die in der Regel nicht weiter nachgedacht wird, da der Kopierer ja nun einmal da ist. 

Verglichen mit dem Produkt aus externem Grafik-Büro und professioneller Druckerei, kommt er zu einem Ergebnis, das deutlich langsamer, mindestens aber 20 Prozent teurer (gemessen an den Personal-Vollkosten!) und in Gestaltung, Satz- und Druckqualität erkennbar schlechter ist. Im schlimmsten Fall sieht das Produkt »selbstgemacht« und billig aus. 

Für eine betriebswirtschaftliche Gesamtrechnung (in der die oben erwähnten Kopiererkosten durchaus eine Rolle spielen) ist aber noch ein weiterer Aspekt relevant: der Mitarbeiter kann, sofern er nicht für genau solche Tätigkeiten eingestellt wurde, in den 20 zusätzlichen Stunden, die er für die Produktion des Faltblatts benötigt, seinen eigentlichen Job nicht machen. Im Extremfall verdoppeln sich hierdurch die »betriebsinternen« Kosten für den Flyer. Im mindesten aber bringt die zusätzliche Arbeitsbelastung und der mögliche Termindruck den Betriebsablauf durcheinander und führt nicht selten zu Unruhe, Stress, Frust und Demotivation. 

Tatsächlich kenne ich einige Unternehmen, indem sich gut bezahlte Mitarbeiter (Referentenebene ab 60 Tausend Euro Jahresgehalt) regelmäßig für viele Wochen im Jahr hinter solch vermeintlich kreativen und besonders aufwändigen Tätigkeiten (Newsletter-, Website- oder Flyer­gestaltung, Geschäftsbericht, Fotobuch für den Chef …) verstecken und zusätzlich ihre Kollegen mit ihrer Erwartung von Verständnis und Anerkennung nerven. Im anderen Extrem werden ähnlich teure Mitarbeiter zu Gestaltungs-Aufgaben genötigt, obgleich sie den Schreibtisch mit ihrer eigenlichen Arbeit voll haben und keinerlei Ambitionen verspüren, sich länger als nötig mit Gestaltungsaufgaben und semiprofessionellen Layoutprogrammen zu beschäftigen. 

Um auch hier Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt ohne Frage viele talentierte Mitarbeiter, die Freude an solchen Tätigkeiten haben, gewisse Vorkenntnisse mitbringen und zu beachtlichen Ergebnissen kommen. Denen will ich die Eigen­kreation nicht ausreden. Eine professionelle (!) InHouse-Produktion hat sogar unbestreitbare Vorteile gegenüber einer externen Beauftragung. Das darf in meinen Augen aber nicht auf Kosten der Qualität und Wirtschaftlichkeit gehen. Und aus wirtschaftlicher Sicht ist »Selbermachen« immer dann Unsinn, wenn der betreffende Mitarbeiter nicht für diese Tätigkeit eingestellt und entsprechend qualifiziert und ausgestattet ist!

Sparen in Krisenzeiten« bedeutet also keinesfalls »Selbermachen« um jeden Preis, sondern eher die eingefahrenen Kommunikationwege zu überprüfen und auf die neuen Gegebenheiten auzurichten. Wenn dann die Mitarbeiter befähigt werden, die benötigten Medien so effizient (gut, schnell und preiswert!) wie möglich zu produzieren, wird alles gut!

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Annahmen:
Vollkosten für eine/n Mitarbeiter/in mit Bruttogehalt von monatlich 2800 Euro, 40-Stunden-Woche, 28 Tagen Urlaub und 5 Krankentagen im Jahr …
Bürokopierer = Farblaserdrucker, mittleres Preissegment für ca. 7500 Drucke im Monat, duplexfähig, Druckleistung von 27 Blättern (beidseitig) pro Minute, kein Falzwerk

Alle Parameter wurden in einer Excel-Tabelle zusammengetragen (eigene Arbeitsblätter für Flyer-Kalkulation, Mitarbeiter Vollkosten und Druckkosten), die Sie auf meiner Website gern herunterladen, prüfen und modifizieren können. 
[Download Excel-Datei].

Hier können Sie auch meinen Artikel als zweiseitige PDF-Datei herunterladen. 
[Download PDF-Datei].