Von der Mitverantwortung der Kunsterzieher

15. April 2018

Vor 28 Jahren hatte ich an der Leipziger Schule als ungeduldiger Student und Mitarbeiter einen wesentlichen Anteil am Aufbau des neuen Fachbereichs »Medienkunst«. Ich schwatzte verdutzten Händlern die ersten Computer ab, organisierte mit westdeutschen Partnern Medienworkshops, kämpfte gegen die Skepsis von Kommilitonen und Professoren an und warb für die These, dass der PC in erster Linie ein Produktionswerkzeug ist, das sich an der Qualität der »alten« Medien messen lassen muss. Eine Prämisse, zu der ich immer noch stehe!

Wenn heute die Qualität von digital erzeugter Kunst und Kommunikation, von Fotos, Filmen, Drucksachen & Co hinter jener ihrer analogen Pendants zurück bleibt, liegt das in aller Regel nicht mehr an der zur Verfügung stehenden Technik, sondern am verloren gegangenen Know-how oder am mangelnden Anspruch der »User«.

Ich bin davon überzeugt, dass sich hier die Spreu vom Weizen trennt und zukünftige Generationen von Medienkünstlern und Kunstvermittlern nur Erfolg haben werden, wenn sie sich vom üblichen »Medien-Alltag« durch besondere Inhalte oder/und besondere und professionelle Umsetzung auszeichnen. 

Die aktuell nicht nur in deutschen Oberschulen praktizierte »Kunsterziehung« hat in meinen Augen eine Mitverantwortung an der schwindenden Qualität aktueller Mediengestaltungen. In der Schule werden unter dem Schlagwort (bzw. Vorwand) »Medienkompetenz« unterschiedlichste Bereiche vermeintlich aktueller Mediennutzung nicht nur gestreift sondern auch bewertet. Und das nicht selten von Lehrkräften, die selbst keinerlei Erfahrung geschweige denn Ambition zur Nutzung digitaler Medien verspüren und auf Geräten, die allenfalls als museumsreif gelten dürfen. Dennoch passiert es, dass die jungen Leute für das Plakat, den Flyer und das Logo, welches sie im Unterricht entwerfen, Bestnoten bekommen und dann die Schule in der Überzeugung verlassen, dass sie »sehr gute« Mediengestalter sind.

Mein letzter Schüler-Praktikant (9.Klasse) formulierte bei seinem Verstellungsgespräch allen ernstes: »Besonders gut kann ich Logos gestalten - da habe ich immer eine 1 bekommen!« Im Verlauf des Praktikums konnte er feststellen, dass das, was er (und vermutlich auch seine Kunstlehrerin) für ein gutes Logo hielt, keines war. 

Solange solche Schüler später Mediengestalter werden, besteht keine Gefahr. Die Ausbildung und vor allem die intensive Auseinandersetzung mit »best practice« relativiert schnell falsche Annahmen. Aber nicht alle Absolventen, die eine 1 in Kunst hatten, können Mediengestalter werden. Fatal wird es bei jenen, die einen anderen Beruf erlernen und hinterher »berufen« sind, für ihren Betrieb Designleistungen einzukaufen. Sie werden mit weniger zufrieden sein, werden aus »Erfahrung« Einsen vergeben für Gestaltungen, die oberflächlich, unausgegoren und technisch unzureichend sind. Und sie werden umgekehrt die gute Qualität von Gestaltungsleistungen nicht erkennen und angemessen bewerten können, weil sie schlichtweg keine Vorstellung haben, was gut und was schlecht ist, und schlimmer noch, sich als beratungsresistent erweisen, weil sie glauben Designleistungen beurteilen zu können. Dennoch werden sie die Leistung von Fachleuten »abnehmen« müssen, weil das nun mal ihr Job als Auftraggeber ist. Und sie werden alles, was sie in der Oberschule über Gestaltung gelernt haben einbringen, weil sie ihren Job gut machen wollen. 

Wie das ausgeht, hängt sehr von der Qualität des zurückliegenden Kunsterziehungsunterrichts bzw. allgemein der erfahrenen Medienbildung ab. Schüler, die gelernt haben, dass nicht jeder Mensch ein Künstler ist und die auch nie gezwungen wurden, einer zu sein, werden neugieriger und gelassener externe Entwurfsleistungen zulassen als jene, die der Überzeugung sind, dass sie das bisschen Design ebenso gut oder noch besser selbst machen könnten, wenn sie sich nicht mit diesen verstockten Grafikern von der Agentur streiten müssten …